(eco). In einer Interview-Reihe veröffentlicht die ecoGuide-Redaktion ab sofort von Zeit zu Zeit Beiträge mit Akteurinnen und Akteuren aus der Metropolregion Rhein-Neckar, die sich haupt- oder ehrenamtlich in den Bereichen Umwelt, Gesundheit oder Tierschutz engagieren. Den Anfang machen wir heute mit Guido Dahm aus Ebertsheim. Als wir vor kurzem beim Geschäftsführer des Verbands für Wirtschaft und Umwelt e.V. (VWU) anfragten, ob er Interesse an einem Interview habe, befand sich dieser gerade im Ausland. „Ja, klar!“ – war dennoch seine prompte Reaktion. Nachfolgend veröffentlichen wir das Interview:

„Nur mit starken Interessensgruppen
können wir etwas in der Politik bewegen“

ecoGuide: Herr Dahm, der Verband für Wirtschaft und Umwelt (VWU) wurde im Jahr 2007 in Rheinland-Pfalz gegründet. Wie kam es dazu und welches sind die Ziele, die der Verband verfolgt?

G. Dahm: In Rheinland-Pfalz herrschte zu dieser Zeit eine eher schwache Vernetzung der Interessen für nachhaltiges Wirtschaften und einer Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Das hat sich zum Glück auch durch die Aktivitäten des VWU geändert. Wir waren Gründungsmitglied von MetropolSolar in Mannheim, vom Klimabündnis Weinstraße, vom Landesverband Erneuerbare Energien RLP sowie vom Landesverband Solarenergie RLP mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße. Nur mit starken Interessensgruppen können wir etwas in der Politik bewegen. Wir hatten auch immer die Idee der Gründung einer Energieagentur RLP in die Politik eingebracht. Auch dieses Projekt ist dann vor 10 Jahren in Rheinland-Pfalz umgesetzt worden.

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Elke Sievers und Guido Dahm vom Klimaprojekte-Shop auf dem Stand beim Parlamentarischen Abend in Mainz. Foto: privat

ecoGuide: Der VWU versteht sich in erster Linie als rheinland-pfälzischer Interessenverband für kleine und mittlere Firmen sowie für Selbstständige. Aus welchen Branchen kommen Ihre Verbandsmitglieder und muss man hinsichtlich einer Mitgliedschaft unbedingt aus Rheinland-Pfalz kommen?

G. Dahm: Nach wie vor sind wir ein kleiner Verband mit ca. 50 Firmen. Davon die meisten Kleinunternehmen. Viele Solarfirmen mussten ihre Mitgliedschaft einstellen, als die Bundespolitik die unverhältnismäßige ‚Pause‘ bei den Erneuerbaren Energien postuliert hatte. Einige Wenige aus dem Energiebereich haben überlebt. Weitere Unternehmen aus dem Ökoweinbau, Unternehmensberaterinnen und -berater, ökologische Finanzdienstleitungen und Energieberaterinnen und -berater sind bei uns organisiert. Wir sind dabei offen für alle Unternehmen, die nachhaltig Wirtschaften oder sich auf den Weg machen wollen, in Zukunft nachhaltig zu wirtschaften, auch aus Nachbarbundesländer. Das wird immer wichtiger als Geschäftsmodell.

ecoGuide: Der VWU unterstützt das NaKUS-Net RLP und das ecoistics EffNaNet Deutschland. Um was geht es in diesen beiden Netzwerken?

G. Dahm: Das Nachhaltigkeitsnetz für Kleinunternehmen und Selbständige haben wir in einem Modellprojekt des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeriums, damals noch unter Ministerin Eveline Lemke, erstellt. Wir geben jedem Kleinunternehmen, dass sich der Nachhaltigkeit verpflichtet oder sich auf den Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aufmacht die Gelegenheit, sich hier kostenlos mit einer eigenen Profilseite einzutragen.

Das ecoistics EffNaNet ist eine kommerzielles Netzwerk unseres Mitglieds Gregor Weber. Im Rahmen seines ecoistics-Instituts betreibt der Energieberater ein bundesweites Fortbildungsnetzwerk zu nachhaltigem Wirtschaften.

ecoGuide: Mit welchen Kampagnen befasst sich der VWU aktuell?

G. Dahm: Der VWU hat in diesem Jahr coronabedingt seine Storytellingreihe als Webmeeting eingeführt. In moderierten Gesprächen werden interessante Projekte, wie beispielsweise die Lithiumgewinnung im Oberrheingraben oder die Agri-Photovoltaik-Forschung des Fraunhofer ISE Instituts aus Freiburg vorgestellt, die neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze in der Metropolregion Rhein-Neckar bringen können.

Als Kampagne haben wir das Wahljahr 2021 genutzt, um das Thema ‚Wind im Wald‘ in die Öffentlichkeit zu bringen. Da im Pfälzerwald rund 45 Prozent der Bäume starke Schädigungen aufweisen und ca. fünf Millionen Bäume pro Jahr absterben, wollen wir einen Beitrag leisten, dieses Waldsterben 2.0 ins Bewusstsein zu rücken. An besonders vorbelasteten Stellen etwa entlang von Autobahnen oder auf Kalamitätsflächen sollen Windräder aufgestellt werden, um mit deren Erträge die Wiederaufforstung mit klimastabileren Baumarten zu finanzieren. Ohne solche Modelle befürchten wir langfristig große wirtschaftliche Verluste in der Holzwirtschaft und immer größer werdende Verluste beim Wandertourismus im Pfälzerwald.

ecoGuide: Denkt man hinsichtlich Betrieblichen Umweltmanagements oder Nachhaltigen Wirtschaftens an einen Unternehmensverband, so dürfte vielen unserer Leserinnen und Lesern zunächst ‚UnternehmensGRÜN‘, seit Anfang 2021 umbenannt in BNW – Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V., in den Sinn kommen. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen dem BNW und dem VWU?

G. Dahm: Ja, selbstverständlich arbeiten wir zusammen. Der VWU ist Mitglied im BNW ebenso wie einige Mitglieder, die sich in beiden Verbänden engagieren.

„Unternehmen sind bei weitem die Hauptakteure
bei der Energie- und Mobilitätswende …
Jetzt muss unbedingt die Wirtschaft ran.“

ecoGuide: Der Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ begegnet uns mittlerweile in vielen Bereichen des täglichen Lebens, so zum Beispiel im Bildungsbereich oder beim Thema ‚Bauen‘. Warum ist Nachhaltigkeit aber gerade auch in der Wirtschaft wichtig?

G. Dahm: Nun, seit Anfang an, seit 2007 sind wir überzeugt, dass die Wirtschaft einen Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise durchführen muss. Das fängt bei der Umstellung von fossilen Energien hin zu Erneuerbaren Energien an, geht weiter über klimaneutrale und sozialverträgliche Lieferketten bis hin zu einer durchgängigen Elektromobilität. Unternehmen sind bei weitem die Hauptakteure bei der Energie- und Mobilitätswende. Bisher hat sich die Politik auf die Kommunen als Treiber der Wende verlassen. Das halten wir für einen Fehler, da die Kommunen lediglich einen verschwindend kleinen Teil an der CO2-Vermeidung leisten können. Jetzt, wo es fast zu spät ist, muss unbedingt die Wirtschaft ran.

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Guido Dahm im Gespräch mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim Parlamentarischen Abend des VWU. Foto: privat

ecoGuide: Unter dem Dach der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie haben sich jüngst Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, des Landes sowie gesellschaftliche Akteure zusammengeschlossen und die hessische ‚Initiative für verantwortungsvolles, nachhaltiges Wirtschaften‘ ins Leben gerufen. Was tut sich diesbezüglich in Rheinland-Pfalz? Wie steht es Ihrer Ansicht nach um die Transformation zu einer Green Economy?

G. Dahm: In Rheinland-Pfalz ist der Weg zur Green Economy noch lang. Die BASF als größte Firma in diesem Bundesland hat zwar schon einen Plan zur Umstellung seines Energiebedarfes entwickelt. Aber die Politik der Ampelkoalitionäre lässt noch viel zu wünschen übrig. Am Beispiel des rheinland-pfälzischen Solargesetzes sieht man dies deutlich. Während ein Ampelkoalitionär die Landwirtschaft aus der Solarpflicht herausverhandelt hat, hat der nächste die Kommunen und der dritte die Kleinunternehmen aus der Pflicht genommen. Am Schluss ist nur die Worthülse ‚Landessolargesetz‘ übrig geblieben. Sie dient jetzt in Berlin als Vorbild für ein ‚Nicht‘-Solarpflichtgesetz. So kann es eigentlich nicht gehen.

ecoGuide: Verraten Sie uns zum Schluss noch etwas Persönliches? Was sind Ihre Beweggründe, dass Sie sich im VWU engagieren?

G. Dahm: Nun, die Katastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal zeigt ziemlich deutlich, wofür ich seit Jahren als gelernter Sozialwissenschaftler warne. Der Klimawandel zerstört viele Lebensgrundlagen und in Folge kommt es zu weltweiten Migrationsbewegungen. In Europa ist eine Abschottungspolitik und ein Erstarken des Rechtspopulismus zu erwarten. Das wiederum ist mit einem sich verstärkenden Wohlstandsabbau verbunden. Solche Umbruchzeiten können zu gewaltigen Verwerfungen, Gewaltphantasien, Verschwörungstheorien, wie sie sich schon jetzt bei der verhältnismäßig kleinen Coronakrise zeigen, bis hin zu militärischen Konflikten führen. Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen.

ecoGuide: Herr Dahm, wir danken Ihnen vielmals für dieses Interview!

Die Fragen stellte ecoGuide-Herausgeber und -Chefredakteur Hardy Hohl.

 

Kontakt:

ecoGuide, Energiewende, Mobilitätswende, Wirtschaftsverband

 

 

 

VWU e.V. – Verband für Wirtschaft und Umwelt
Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften in Rheinland-Pfalz
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