In der vergangenen Woche begannen im neuen Naturschutzgebiet (NSG) „Brühlwegdüne“ die ersten Naturschutzmaßnahmen. Im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe werden auf einer Fläche von insgesamt 0,5 Hektar Bäume entnommen, um dort langfristig Sandrasen zu entwickeln. Dabei werden insbesondere Bäume entfernt, die aufgrund der letztjährigen Trockenphasen bereits geschädigt sind. Der Bereich wurde auch als erste Auflichtungsfläche des Entwicklungsgebietes ausgewählt, weil er in unmittelbarer Nachbarschaft zum NSG „Pferdstrieb“ liegt und von dort schnell mit typischen Tier- und Pflanzenarten der Sandrasen, zum Beispiel den auffälligen blauflügeligen Ödlandschrecken, besiedelt werden kann. Sogenannte Habitatbäume, die bereits von Totholzbewohnern besiedelt sind oder Höhlen enthalten, die von Fledermäusen oder anderen Säugetieren genutzt werden könnten, werden nicht entfernt.

Der Wald wird auch danach seine ökologischen Waldeigenschaften behalten

Neben dieser kleinflächigen Entfernung wird auch der gesamte nördliche Bereich des NSG durch die Entnahme von Stammholz und liegendem Holz etwas aufgelichtet. Ziel ist dort langfristig, lichten Kiefernwald zu entwickeln und damit weitere lichtliebende Pflanzen und Tierarten zu fördern. Der Wald wird auch danach noch überwiegend von Kiefern überschirmt sein und seine ökologischen Waldeigenschaften behalten.

Im Regierungsbezirk Karlsruhe bieten die in der letzten Kaltzeit entstandenen Binnendünen, zu denen die Brühlwegdüne zählt, die besten Voraussetzungen für die Entwicklung von europaweit geschützten Sandrasengesellschaften und lichten Kiefernwäldern. In den letzten Jahrzehnten wurde die Düne forstwirtschaftlich genutzt. Dabei hat sich humoser Waldboden gebildet, der die Entwicklung von Sandrasen verhindert. Daher wird er im Anschluss an die Auflichtung entfernt und zur Verbesserung des Waldbodens in anderen Waldbeständen verwendet. Enthält der Sandboden Kalk, kann darauf Blauschillergrasrasen, ansonsten Silbergrasrasen entwickelt werden. Diese beiden Sandrasengesellschaften beherbergen die stark gefährdeten Pflanzenarten Sandstrohblume, Sand-Silberscharte und Ohrlöffel-Leimkraut und bieten einer ganzen Reihe von seltenen Tierarten Lebensraum (beispielsweise dem Sandlaufkäfer).

Hintergrund-Infos

Die Entwicklung des NSG „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umsetzung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535. Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten.

Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten. Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkonzepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.

Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines insgesamt 32 Hektar großen Naturschutzgebietes auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen NSG in den nächsten 25 Jahren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln.

Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.

Das NSG „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.

 

(Quelle: Regierungspräsidium Karlsruhe)