Ende dieser Woche ziehen tierische Landschaftspfleger vom Naturschutzgebiet (NSG) „Sandhausener Dünen“ in den nördlichen Teil des Entwicklungs-Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“ um. Nach Ausweisung des Gebiets im September 2020 und der Herausnahme von Bäumen im Winter 2020/21 sorgen in den nächsten Wochen die Ziegen und Schafe dafür, dass Brombeeren, Büsche und krautige Pflanzen zurückgedrängt werden. Dadurch gelangt mehr Licht auf den sandigen Waldboden und schafft die Voraussetzungen dafür, dass Pflanzen und Tiere, wie beispielsweise die Sandsilberscharte (ein Korbblütengewächs), der Sandlaufkäfer und die Ödlandschrecke, aus dem benachbarten Naturschutzgebiet „Sandhausener Düne“ einwandern können. Diese Sandspezialisten sind auf besonnte Sandböden angewiesen: Dort haben sie die richtigen Keimbedingungen und finden auf dem lückigen Sandboden Nahrung.
Die Weidefläche der Ziegen und Schafe ist von einem Weidezaun umgeben. Dieser unterbricht einen von Ost nach West verlaufenden Forstweg, der dann nicht mehr begangen werden kann. Die Benutzung dieses Weges ist aber ohnehin nur für die Waldbewirtschaftung zulässig. Vor Ort weist eine Informationstafel auf die Beweidung durch die Tiere und den gesperrten Weg hin. Besucher des NSG können die Tiere vom Wanderweg entlang des Dünenkammweg beobachten. Hundehalter werden gebeten, ihre Hunde an der Leine zu führen und am Eindringen in die Waldweide zu hindern, damit die Weidetiere nicht gestört werden.
Hintergrund-Infos: Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“
Die Entwicklung des NSG „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umsetzung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535. Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten. Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten.
Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkonzepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.
Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines insgesamt 32 Hektar großen NSG auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses NSG „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 im Beisein von Georg Kletti, Bürgermeister der Gemeinde Sandhausen, von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen NSG in den nächsten 25 Jahren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt im Boden) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.
Die Brühlwegdüne ist in einer kurzen Kaltphase am Ende der letzten Eiszeit (Würm) vor rund 10.000 bis 11.000 Jahren entstanden. Die in der damaligen Rheinaue lagernden Sande wurden vom Wind ausgeweht und unter anderem als Binnendünenzug bei Sandhausen abgelagert, zu dem neben der Brühlwegdüne auch der sich nördlich anschließende Pferdstrieb gehört.
Das NSG „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.
(Quelle: Regierungspräsidium Karlsruhe)