Vögel gelten unter Ornithologen als sehr resistent gegenüber bakteriellen Infektionen, ihr Immunsystem scheint fast mit besonderen Superkräften ausgestattet zu sein. Wieso das so ist, möchte Dr. Markus Braun, Forscher in der Arbeitsgruppe um Prof. Michael Wink am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie (IPMB) der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Zoo Heidelberg herausfinden.
Den Wildputen, die im Zoo Heidelberg zu sehen sind, kam dabei eine wichtige Aufgabe zu Teil: Sie spendeten Bürzeldrüsensekret, um dem Forscher bei der Suche nach Antworten zu helfen. Seit 2012 geht Dr. Markus Braun der Frage nach, wieso Vögel im Vergleich zu Säugetieren gegen bakterielle Infektionen widerstandsfähiger sind. Eine wichtige Rolle bei der Suche nach Antworten könnte die Bürzeldrüse der Vögel spielen. Die vollständige Funktion dieser besonderen Drüse ist noch nicht umfassend geklärt. Bewiesen ist, dass die Bürzeldrüse ein wächsernes, streng riechendes Sekret absondert, mit dem die Vögel ihr Gefieder einreiben, um es wasserabweisend und geschmeidig zu halten. „Nur Vögel besitzen Bürzeldrüsen – Säugetiere und selbst die nahe verwandten Reptilien nicht. Daher lag es nahe, diesen Körperteil genauer unter die Lupe zu nehmen. Es könnte möglich sein, dass das Sekret antibakteriell wirkt und zu den guten Abwehrkräften der Vögel beiträgt. Viele Wissenschaftler nehmen dies an, die Datenlage ist allerdings widersprüchlich. Dank der Zusammenarbeit mit dem Zoo Heidelberg und weiterer Partner, konnten wir genug Sekret von Wildputen und anderen Vogelarten sammeln, um diese Frage weiter zu erforschen“, berichtet Dr. Braun.
Bürzeldrüsensekret allein hat keine antibakterielle Funktion
Einige Experimente nach Beginn der Forschungsarbeit war klar: Bürzeldrüsensekret allein hat keine antibakterielle Funktion gegen krankheitserregende Bakterien und multiresistente Keime. Ein neuer Ansatz, um die Arbeit weiterzuführen, war schnell gefunden. Die Puten lieferten Dr. Braun die Idee selbst: Möglicherweise ändert sich die Wirkung des Sekrets, wenn es mit einem bestimmten Stoff, der ebenfalls im Gefieder der Vögel zu finden ist, kombiniert wird. „Im Federkleid der Vögel tummeln sich allerlei Bakterien, gute und schlechte. Nur die schlechten machen krank, die guten nicht. Schlecht sind zum Beispiel Bakterien, die Federn zerstören. Diese Bakterien leben auf fast allen Vogelarten und bilden während der Zersetzung der Federn das Enzym Keratinase. Dennoch sind Vögel nicht nackt. Irgendein Vorgang muss die Vögel folglich davor schützen, dass dieses Enzym seine Wirkung entfaltet und ihre Federn zerstört“, erklärt Dr. Braun. Für diese „Superkräfte“ könnte das Bürzeldrüsensekret verantwortlich sein, allerdings nicht ausschließlich.
Um weiter zu forschen, stellte Dr. Braun experimentell nach, was sich im Federkleid der Vögel abspielt: Wenn Wildputen oder andere Vögel ihre Federn pflegen und sich putzen, entsteht unweigerlich eine Verbindung zwischen dem Enzym Keratinase und dem Bürzeldrüsensekret. Folglich fügte Dr. Braun auch im Labor zu dem Bürzeldrüsensekret, das er bei den Puten zuvor gesammelt hatte, Keratinase hinzu. Im weiteren Verlauf der Forschung stellte sich heraus, dass das Sekret aus der Bürzeldrüse der Wildputen, angereichert mit dem Enzym Keratinase tatsächlich in der Lage ist, gefährliche Keime abzutöten. „Wir haben das mit unterschiedlichen Bakterien getestet, darunter Darmbakterien, wie z.B. E. coli oder Krankenhauskeimen wie MRSA. Tatsächlich hat sich bei allen Versuchen die Anzahl der lebendigen Keime in der Probe immer drastisch verringert, aber eben nur, wenn Keratinase im Spiel war. Es müssen sich also Substanzen im Bürzeldrüsensekret befinden, die durch das alleine nicht wirksame Enzym in antibakterielle Stoffe überführt werden. Mit den neu gebildeten Stoffen werden dann federabbauende und andere, auch für den Menschen schädliche, Mikroorganismen bekämpft“, führt Dr. Braun fort. Wie genau dieser Vorgang funktioniert, gilt es jetzt herauszufinden.
In ferner Zukunft könnten die gewonnenen Erkenntnisse dabei helfen, neue Antibiotika zu entwickeln
Der Forschungsansatz von Dr. Markus Braun beherbergt einen sehr interessanten Denkansatz. In ferner Zukunft könnten die gewonnenen Erkenntnisse dabei helfen, neue Antibiotika zu entwickeln, um multiresistenten Keimen den Kampf anzusagen. „Das ist allerdings noch ferne Zukunftsmusik – und benötigt natürlich auch entsprechende Gelder, um in diese Richtung weiter zu forschen“, erklärt Dr. Braun. Bis dahin bedarf es noch einiger Forschungsarbeit und vieler Experimente. Die Grundlagenforschung ist bereits erfolgt und kann nun weiterentwickelt werden. Die Wildputen oder andere Vögel können sich derweil entspannt zurücklehnen, denn dank ihrer Bürzeldrüse besitzen sie bereits eine Art „Superkraft“.